Deborah Biging
Deborah Biging hat ihre Masterarbeit "Educational Justice in Response to Oppression by Heteronormative Schools" im August 2022 fertiggestellt.
Beeindruckt vom Engagement der Philosoph*innen, einen Gedankengang bis zum bitteren Ende zu verfolgen
Ich erinnere mich noch an meinen ersten Kontakt mit der Philosophie: Als Dreizehnjährige bin ich in der lokalen Bibliothek auf ein Philosophiebuch für Einsteiger*innen gestoßen. Verschiedene philosophische Frage- und Problemstellungen wurden darin erläutert, häufig in der Form von rätselhaften Puzzles oder Dilemmata. Dieses Buch war meine erste Einführung in philosophisches Denken mit seinem charakteristischen Hin und Her von Hypothese und Einwänden in kontinuierlichem Abwägen mit teils überraschenden Ergebnissen. Ich kann mich daran erinnern, dass ich von dieser Herangehensweise an Probleme extrem fasziniert war und dass ich es genossen habe, alle Komplexitäten der Fragestellungen zu durchdenken und zu begreifen, dass es häufig keine einleuchtende oder überzeugende Antwort gibt. Ich war beeindruckt vom commitment der Philosoph*innen, einen Gedankengang bis zum bitteren Ende zu verfolgen und auch vor kontraintuitiven Resultaten nicht zurückzuschrecken und teilwese radikale Standpunkte zu verteidigen, die der common sense sofort verwerfen würde.
Als ein paar Jahre später die Entscheidung anstand, was ich studieren möchte, habe ich mich an diese ursprüngliche Fazination erinnert. Ich habe auch schon immer gerne diskutiert und habe mir vom Philosophiestudium erhofft, mein analytisches Denken zu schärfen und mich darin zu trainieren, den Überblick über politische und ethische Debatten zu gewinnen. Auch mein Interesse an gesellschaftlichen Diskursen war schon in meinem Jugendalter sehr lebendig. Aus diesem Grund war es keine Überraschung, dass ich mich vermehrt in Seminaren der politischen Philosophie wiedergefunden habe. Ich habe auch Kurse im Bereich der theoretischen Philosophie interessant gefunden, aber das war für mich eher eine Übung in gedanklicher Gymnastik, da ich dort meistens nicht emotional auf eine bestimmte Lösung der Problemstellungen festgelegt war. Im Bereich der politischen Philosophie hingegen hatte ich stets extrem starke Intuitionen und war sehr motiviert, viel Zeit und Energie zu investieren, diese zu verteidigen. Das hat mir wohl auch die Energie gegeben, den Weg der akademischen Philosophie weiterzuverfolgen, denn im Augenblick befinde ich mich in meinem Doktoratsstudium.
Während meines Studiums habe ich als studentische Mitarbeiterin am Arbeitsbereich Praktische Philosophie gearbeitet und auch in dieser Rolle viel lernen dürfen und wertvolle Einblicke in den Universitätsalltag erhalten sowie Kontakte geknüpft. Vor allem den Personen, die mit einer Universitätskarriere liebäugeln, würde ich sehr raten, eine solche Chance zu ergreifen, wenn sie sich bieten sollte. Darüber hinaus habe ich während meines Studiums eine Ausbildung zur Yogalehrerin gemacht (und auch eine Zeit lang als solche gearbeitet), verschiedene Sprachkenntnisse vertieft (neben dem für das PELP-Studium bzw. auch die akademische Philosophie allgemein inzwischen unabdingbaren Englisch auch Französisch und Portugiesisch) und ein Semester in Portugal an der Universität Coimbra verbracht. Mein Studium ließ sich gut mit diesen zusätzlichen Aktivitäten verbinden und auch wenn sich mein Studienfortschritt dadurch verzögert hat, habe ich sehr davon profitiert, meine akademischen Aktivitäten um diese weiteren Erfahrungen zu bereichern.
Die Entscheidung für ein Masterarbeitsthema fiel mir nicht leicht. So viele Fragestellungen haben mich interessiert. Letztendlich habe ich mich für ein Thema entschieden, das mich selbst auf eine intime Art betrifft und zwar habe ich meine Masterarbeit zu Heteronormativität und Bildungsgerechtigkeit geschrieben. Ich habe schon als Jugendliche gewusst, dass ich bisexuell bin, mich aber nicht getraut, das zuzugeben, bis ich erwachsen war. Ich wollte herausfinden, warum es in unserer Gesellschaft, die sich so gern als liberal versteht, immer noch so schwer für queere Menschen ist, zu ihrer Identität zu stehen und was wir im Sinne der Gerechtigkeit verpflichtet sind, dagegen zu tun. Mich mit diesem Thema aus akademischer Sicht zu beschäftigen war sehr bestärkend. Mein Studium und die damit einhergehenden Gelegenheiten, mich akademisch und persönlich weiterzuentwickeln, haben mir dabei geholfen, meine Stimme zu finden und mir zuzutrauen, dass ich etwas zu sagen habe.
Unmittelbar nach Abschluss meines PELP-Masters habe ich ein Semester lang an der Universität Graz ein Einführungsseminar in die Philosophie und ins wissenschaftliche Arbeiten für Bachelorstudierende gehalten (unter Supervision von Prof. Lukas Meyer). Danach war ich für einige Monate im Room466, einer Forschungs- und Entwicklungsabteilung, die an der WKO Steiermark angesiedelt ist, beschäftigt. Seit September 2023 bin ich an der Central European University in Wien und absolviere hier ein PhD-Studium.
Die Fähigkeiten, die ich im PELP-Studium erworben und trainiert habe, haben sich sowohl innerhalb als auch außerhalb des akademischen Betriebs als hilfreich erwiesen. Analytisches Denken, sinnvolles Strukturieren von Gedankengängen, ein Verständnis für die Komplexität von Problemstellungen – all das sind Skills, die nicht nur für das Verfassen von Artikeln in Fachzeitschriften notwendig sind. Auch im Rahmen der Projektstelle außerhalb der Universität, die ich eine Weile innehatte, war es beispielsweise ein Teil der Arbeit, Konzepte für Projekte zu entwerfen und plausibel darzustellen, warum diese Ideen und ihre Umsetzung Fördergelder erhalten sollten. Auch auf meine Dissertation bzw. den Bewerbungsprozess auf kompetitive Doktoratsstellen hat mich das PELP-Studium exzellent vorbereitet. Ich kann den Studiengang allen von euch empfehlen, die sich gerne mit komplexen gesellschaftsrelevanten Fragestellungen auseinandersetzen und sich im Denken, Schreiben und Diskutieren üben möchten – unabhängig davon, ob ihr einen akademischen Berufsweg anstrebt oder nicht.