Aula der Wissenschaften, 1010 Wien, 23.01.2023
Inflation, Krieg, Klimawandel: Es scheint gerade nicht die beste Zeit für Optimismus zu sein. Wohl gerade deshalb stand der Science Talk des Bundesministeriums für Bildung, Wissenschaft und Forschung (BMBWF) am Montagabend in Wien unter der Frage: "Optimismus trotz allem? Wie uns Wissenschaft und Forschung dabei helfen können." Die Teilnehmenden der Podiumsdiskussion waren selbst eher optimistisch. Einer jedoch plädierte für einen moderaten Pessimismus.
Die Psychologin Veronika Job der Universität Wien betonte die Effekte von Optimismus, die die psychologische Forschung feststellen könne: "Menschen, die optimistisch sind, sind eher gesund. Sie haben sogar eine geringere Wahrscheinlichkeit, sich in schwierige Lebenssituationen zu bringen oder die Arbeit zu verlieren." Man müsse jedoch diesen allgemeinen Optimismus von einem unrealistischen Optimismus unterscheiden. Den gebe es z.B. bei manchen Rauchern, die glaubten, sie hätten im Gegensatz zu anderen Raucherinnen ein geringeres Risiko, an Lungenkrebs zu erkranken. "Wenn es darum geht, Risikofaktoren abzuwägen, ist Optimismus eher ein negativer Faktor." Aufgabe der Wissenschaft hingegen sei es, keine rosa Brille zu tragen, sondern auf Probleme hinzuweisen und Lösungen an die Hand zu geben, wie beim Klimawandel.
Alexander Jost vom Institut für Geschichte der Universität Salzburg sah seine Disziplin dabei nicht im Vordergrund und verwies auf das Bonmot: "Der Historiker, der auf die Geschichte schaut und dabei Freude und Stolz aufbaut, der macht was falsch." Es gebe mitunter Verabscheuungswürdiges in der Geschichte, was nicht unbedingt geeignet sei für einen zukunftsfrohen Blick. Allerdings helfe sie, Dinge zu relativieren. Bei der Coronapandemie sei ein Blick in die Geschichte für ihn hilfreich gewesen, um zu realisieren: Das ist nicht einzigartig, es hat immer Pandemien gegeben. Sie alle seien letztlich überwunden worden und dies mit Hilfe der Wissenschaft, z.B. durch Impfungen, auch immer schneller.
Der Philosoph Lukas H. Meyer von der Universität Graz verwies darauf, dass Optimismus eine Haltung sei. Weder Pessimismus noch Optimismus sei wissenschaftlich gesehen rational. Optimisten und Optimistinnen machten die Annahme, dass es wahrscheinlicher ist, dass etwas eintritt, was sie sich wünschen, obwohl es die Gründe nicht hergäben. "Ich glaube, das kann praktisch rational sein. Es motiviert uns, auch so zu handeln, dass es passiert. Allerdings kommt es drauf an, vorsichtig optimistisch zu sein, um nicht über das Ziel hinauszuschießen." Um optimistisch zu sein, bräuchte es gewisse Grundannahmen, die in sich letztlich optimistisch sind. Wenn es in x Jahren keine Menschen mehr gäbe, wenn man das tatsächlich annehmen würden, dann würde einigem was wir tun der Boden entzogen. "Es wäre ein Verlust von Sinn. Vieles hängt davon ab, dass wir uns in Verbindung sehen mit Vergangenem wie auch mit Zukünftigem."
Dem Historiker Jost schien es zwischendurch etwas zu optimistisch zu werden und auch die Kategorien Optimismus-Pessimismus etwas zu schwarz-weiß. "Wir müssen ja auch aus Fehlern der Geschichte lernen." Wenn man nicht auf durchdachte Art und Weise ein Geschichtsbewusstsein an kommende Generationen vermittle, sei dies gefährlich. "Ich weiß nicht, ob das per se schon optimistisch wäre. Vielleicht eher ein moderater Pessimismus", schlug er eine differenziertere Betrachtungsweise und Begrifflichkeit vor.
Mit einem Mythos wurde jedoch aufgeräumt: Dass Österreich ein pessimistisches Land sei. Job hatte sich die Umfragen des Standards dazu angeschaut. Zwar sei voriges Jahr der Pessimismus tatsächlich hochgegangen, aber bei etwas über 30 Prozent immer noch nicht die Mehrheitsbetrachtung. Zudem zeigten Umfragen zum Jahreswechsel, dass diese Spitze wieder nach unten ginge. "Die Mehrzahl der Österreicherinnen und Österreicher scheint doch optimistisch zu sein."
Der Link zum Nachlesen (und zum nachhören): Nachlese ScT > Optimismus trotz allem? Wie uns Wissenschaft und Forschung dabei helfen können (bmbwf.gv.at)