Lucia Agaibi
Lucia Agaibi arbeitet an einer Dissertation im Fachbereich 'Historische Musikwissenschaft' an der wissenschaftlichen Doktoratsschule der Kunstuniversität Graz und hat eine Masterarbeit mit dem Titel „Zur aktuellen Bedeutung von Max Schelers Ressentimentanalyse“ (Juli 2018) verfasst.
PELP als Katalysator für Musikwissenschaft
Ich habe in Graz an der Kunstuniversität und der Universität Graz Musikologie studiert und 2017 das Masterstudium mit Auszeichnung abgeschlossen. Zusätzlich habe ich an der Universität Graz das Masterstudium PELP absolviert. Zurzeit arbeite ich an meiner Dissertation im Fachbereich Historische Musikwissenschaft an der wissenschaftlichen Doktoratsschule der Kunstuniversität Graz.
Ausschlaggebend für meine Entscheidung, PELP zu studieren, war mein Erasmus-Semester 2012 an der Lund Universität in Schweden. Dort belegte ich einen Kurs über Modernismus und Postmodernismus, der mir ein Bewusstsein dafür vermittelte, wie wichtig eine Auseinandersetzung mit Philosophie, Geschichte und Politik für meine eigene musikwissenschaftliche Forschung ist. Ich beschäftige mich mit polystilistischen Werken nach 1945 aus Österreich. Der Versuch, diese Werke adäquat zu beschreiben, erfordert eine gründliche Auseinandersetzung mit politischen und philosophischen Tendenzen des 20. Jahrhunderts, weil dieses nicht nur das Publikum westlicher Kunstmusik, sondern vor allem Komponist:innen vor große neue Herausforderungen gestellt hat. Als massives Problem stellte sich der Glaubenssatz heraus, dass Musik die einzige autonome Kunstform sei, die völlig losgelöst von äußeren Einflüssen ihr eigenes Reich konstituiert. Diesem Problem wurde auf mindestens zwei Arten begegnet. Einerseits ging die Idee einer ästhetisch autonomen Musik — entkoppelt von weltlichen Belangen — über in eine Idee von der Welt als Objekt, welches wir mit äs-thetischer Anerkennung begreifen sollten: Alles, was wir hören, kann Musik sein. Andererseits wurde sie ab den späten 1950ern als Reaktion auf den Dogmatismus der tonangebenden Darmstädter Avantgarde, die am Autonomie-Glaubenssatz festhielt, von einigen Komponist:innen überdacht und verworfen. Beide Ansätze führen uns auf unterschiedlichen Wegen und nicht immer dezidiert von den Komponist:innen als sozialpolitische Kritik intendiert, sondern manchmal vom Publikum entsprechend rezipiert, zu einem Charakteristikum postmoderner Kunstmusik, die sich nämlich oft nicht mehr als autonom, sondern als relevant für den kulturellen, sozialen und politischen Kontext versteht. Manche Kunstschaffende waren in den 60ern und 70ern davon überzeugt, dass Kunst und Musikalität einen gangbaren Weg aus der Konsumgesellschaft weisen könnten, wie etwa Cornelius Cardews Buch „Stockhausen Serves Imperialism“ von 1974 bezeugt.
Das PELP-Studium war eine sinnvolle und ergiebige Ergänzung für mich. Klarerweise sind nicht alle Lehrveranstaltungen in meine musikwissenschaftlichen Arbeiten eingeflossen, aber es war reizvoll, Einblicke in unterschiedliche Disziplinen zu bekommen, neue Interessen und Fähigkeiten zu entwickeln, und die eigenen (Alltags-)Standpunkte z.T. als Spitzen riesiger theoretischer Eisberge neu kennenzulernen und einzuordnen, was ich als wertvolles Werkzeug erachte, weil das Wissen über Hintergründe eines banalen Standpunkts, den man irgendwann irgendwie von irgendwem übernimmt, es leichter macht, darüber nachzudenken, wie sehr man selbst damit einverstanden ist, ihn zu vertreten.