Unter dem Eindruck einer „Renaissance des Religiösen“ einerseits und der zunehmenden Politisierung von Religionen andererseits rückt die Verhältnisbestimmung von Politik und Religion im staatlichen wie im internationalen Kontext verstärkt in den Fokus des politischen und gesellschaftlichen Interesses. In den letzten Jahren trägt auch die politische Philosophie dieser Situation vermehrt Rechnung, was sich in einer steigenden Zahl von Veröffentlichungen zu diesem Thema niederschlägt. Dabei kann sie auf eine reiche Tradition philosophischer Modelle zum Neben-, Mit- oder Gegeneinander von Politik und Religion zurückblicken. Was in dieser Diskussion bisher jedoch fehlt, ist eine differenzierte Darstellung der für die Verhältnisbestimmung von Philosophie, Politik und Religion klassischen Modelle, angefangen von der griechischen Antike bis in die Liberalismus-Kommunitarismus-Debatte des ausgehenden letzten Jahrhunderts.
Der im November im Akademie-Verlag (Berlin) erschienene Band „Philosophie, Politik und Religion. Klassische Modelle von der Antike bis zur Gegenwart“, herausgegeben von Dirk Brantl, Rolf Geiger und Stephan Herzberg will diese Lücke schließen.
Unter den 15 Beiträgen zu klassischen Modellen der Verhältnisbestimmung von Philosophie, Politik und Religion von Platon bis Charles Taylor findet sich auch der Beitrag zu John Locke über Gründe und Grenzen der Toleranz von Dirk Brantl. Untersucht werden darin Brüche und Kontinuitäten eines der bedeutendsten Denker einer philosophischen Theorie der Toleranz. In einer Zeit wiederkehrender politischer Umbrüche sucht Locke die Auswirkungen eines religiösen Pluralismus auf die politische Ordnung ebenso zu bestimmen wie die angemessene Reaktion des Staates hierauf. Gleichzeitig als liberaler und antikatholischer, als reaktionärer und fortschrittlicher Denker auftretend, ergibt sich ein auf den ersten Blick verwirrendes Bild von Lockes Theorie. Der Beitrag versucht aufzuzeigen, wie sich jedoch in der Entwicklung seiner Toleranztheorie in Wirklichkeit die Wechselwirkung von Denken, Zeitgeschichte und Tagespolitik auf komplexe Weise zeigt.